Archiv 2011

Die Isel – Herzfluss Osttirols

Die Mär von der sauberen Wasserkraft

Nationalparkgemeinden müssen Tauernbach, Isel und Kalserbach erhalten

Wasserkraft ist sauber, klimaneutral und macht Österreich unabhängig von Kohle und Atom. Kaum eine Energiequelle hat ein besseres Image. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich: Wasserkraftwerke jeder Art bedeuten massive Eingriffe in die Natur, tragen zum Artenschwund bei und verschlechtern die Ökosystem-Dienstleistungen gesunder Flüsse.

Gerade Osttirol ist einer der am stärksten durch neue Wasserkraftwerke bedrohten Bezirke Österreichs. Hier sind vor allem die Nationalparkflüsse Kalserbach, Isel und Tauernbach betroffen. Für den WWF ist diese Doppelmoral unverständlich. „Die Nationalparkgemeinden werben mit der einzigartigen Natur. Wenn aber dann die Bäche wenige hundert Meter nach Nationalparkgrenze im Rohr verschwinden, dann ist das höchst unglaubwürdig“, kritisiert Christoph Walder vom WWF. „Der gute Ruf der Nationalparkregion Hohe Tauern sollte nicht wegen ein paar Kilowattstunden aufs Spiel gesetzt werden“, pflichtet ihm Wolfgang Retter von der Bürgerinitiative Netzwerk Wasser Osttirol bei.

Mythos: Wasserkraftausbau macht uns energieautark

Österreichs Stromhunger kann durch Wasserkraft nicht gedeckt werden, wenn der Verbrauchszuwachs von derzeit zwei Prozent pro Jahr weiterhin alles auffrisst. „Wir sind nicht gegen den weiteren Ausbau der Wasserkraft, aber er muss mit Maß und Ziel erfolgen“ erklärt Christoph Walder vom WWF. „Sonst sind in ein paar Jahren die letzten Flüsse zerstört und das Energieproblem bleibt dennoch ungelöst“. Fakt ist, dass Österreich 2009 als Teil des europäischen Strommarktes mit rund 70.000 GWh gleich viel Strom erzeugt wie verbraucht hat.

Mythos: Wasserkraft ist eine umweltfreundliche Energiequelle

4.034 Wasserkraftwerke haben unsere Fließgewässer bereits massiv beeinträchtigt. 70 Prozent der heimischen Flüsse und Bäche liefern schon Strom. Ihr Wasser ist zwar sauber – aber Gewässergüte, Grundwasserqualität und Selbstreinigungskraft laufen Gefahr, ins europäische Schlussfeld abzurutschen. Mit der Degradierung der Flüsse geht die Zerstörung ihrer Auen als wichtige Lebensräume bedrohter Arten und als Retentionsraum im Hochwasserfall einher. Wenn wir auch in Zukunft sauberes Trinkwasser wollen, müssen wir den Wasserkreislauf mit Flüssen, Seen, Feuchtgebieten und Grundwasserspeichern schützen.

Mythos: Saubere Wasserkraft ersetzt schmutzige Kohle

In den großen Pumpspeicherkraftwerken der Alpen wie dem Kopswerk II in Vorarlberg oder Kühtai in Tirol müssen große Wassermengen bewegt werden. „Mit billigem Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland wird das Wasser in den Speichersee hinaufgepumpt und dann am nächsten Tag über die Turbinen als ‚sauberer Strom aus heimischer Erzeugung’ abgearbeitet – das reinste Greenwashing“, klärt Walder auf. Weil Pumpspeicherkraftwerke vor allem Spitzenstrom für den Export liefern, tragen sie auch kaum zu Österreichs Versorgungssicherheit bei.

Mythos: Small is beautiful – Kleine Kraftwerke sind unbedenklicher als Große

Kleinwasserkraftanlagen mit einer Leistung unter zehn Megawatt haben auf Ökosysteme sogar schlimmere Auswirkungen als große. Das liegt einerseits an der großflächigen Auswirkung der zahlreichen Anlagen – derzeit etwa 3. 380 – auf die Natur, und andererseits an der geringen Energieausbeute im Vergleich zum Gewässerverbrauch von etwa 200 Metern pro Gigawattstunde und Jahr. Kleine Kraftwerke zerstören demnach für die gleiche Energieausbeute im Vergleich bis zu acht Mal mehr Flussnatur als Großkraftwerke.

WWF-Lösung: Nicht mehr erzeugen, sondern intelligenter verbrauchen

Der in der Energiestrategie Österreichs angestrebte Ausbau der Wasserkraft um sieben Terrawattstunden bis 2020 deckt nur den Verbrauchszuwachs, nicht jedoch den Gesamtbedarf an Strom ab. „Viel wichtiger als neue Kraftwerksbauten ist, endlich die riesigen Potentiale zu nutzen, die in der Energieeffizienz brachliegen“, erklärt Walder. In Einsparungen und der Nutzung und Förderung moderner technischer Lösungen etwa in den Bereichen Gebäudesanierung, Beleuchtung, Warmwasseraufbreitung und Verkehr liegt vier Mal mehr energetisches Potential als im Totalausbau der Wasserkraft.

Bürgerinitiative Netzwerk Wasser Osttirol
http://www.wasser-osttirol.at

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